Deutsch lernen am Bodensee – Erasmus+ lässt Lehreraugen strahlen4. Juni 2024
Die estnische Deutschlehrerin Katrin Vaikmaa verbrachte im Rahmen einer Erasmus+-Studienreise eine Woche als Hospitantin am Humboldt-Institut in Konstanz. Im Humboldt-Blog berichtet sie über ihre Erfahrungen in Unterricht und Freizeit.
Warum habe ich diese kleine Sprachschule im Süden Deutschlands, nahe der Schweizer Grenze, für meinen Aufenthalt ausgewählt?
Ich bin schon viel in Deutschland umher gereist, aber die Gegend um den Bodensee war bislang eine unentdeckte Ecke für mich. In deutschsprachigen Lehrbüchern gibt es regelmäßig Themen zur Landeskunde, also der Geographie und Kultur Deutschlands. Schon oft habe ich mit meinen Schülern den Text über den Bodensee aus dem A1-Lehrbuch „Themen aktuell“ gelesen, war aber selbst noch nie dort!
Außerdem wollte ich neue Kollegen kennenlernen und mir Ideen zu Methoden und Lehrmaterialien holen. Am meisten interessierte mich, wie sich die mündliche Ausdrucksfähigkeit der Schüler entwickelt und wie komplexe grammatikalische Themen erklärt werden.
Um es kurz zu machen: Alle Fragen und Bedürfnisse wurden beantwortet. Als ich ankam, wurde ein individueller Unterrichtsplan für mich erstellt und ich hatte die Möglichkeit, an Freizeitaktivitäten teilzunehmen. Aber zuerst gab es etwas zu essen.
Die Konstanzer Sprachschule des Humboldt-Instituts funktioniert wie ein Internat. Viele der Schüler bleiben länger, sie wohnen, lernen, essen und schlafen im selben Gebäude.
Die Schülerinnen und Schüler sind überwiegend junge Erwachsene aus aller Welt, aber auch ältere Schüler sind willkommen. Während meiner Zeit waren Teilnehmer aus den USA, Italien, Taiwan, Japan, der Slowakei, der Ukraine, China und der italienischsprachigen Schweiz in Konstanz.
Alles in allem ist es eine große Familie, die gemeinsam lernt und glücklich zusammenlebt. Da die Schule recht klein ist, werden die Erfolge, Sorgen und Freuden miteinander geteilt. Man sitzt mit den Lehrern und dem Schulleiter am gemeinsamen Esstisch und im Schulgebäude wird nur Deutsch gesprochen.
Der Aufenthalt in einer fremdsprachigen Umgebung trägt wesentlich zum erfolgreichen Sprachenlernen bei. Die Schüler werden außerdem dazu ermutigt, sich im Unterricht auf jede erdenkliche Weise auszudrücken. Da die Gruppen klein sind, kommt jeder zu Wort.
In den Kursen, die ich besucht habe, hat sich jeder aktiv eingebracht. Es wird viel in Gruppen und mit Partnern gearbeitet, Tische werden im Handumdrehen neu arrangiert. Der Lehrer geht umher, gibt das Thema vor und hilft weiter. Später wird das Thema noch einmal besprochen. Gemeinsam korrigieren die Schüler die typischen Fehler, die dem Lehrer aufgefallen sind.
Damit die Schüler das neue Thema des Unterrichts erraten konnten, wurden einige Bilder verteilt. Während man sich paarweise durch die Klasse bewegte, mussten die Bilder durch Wörter oder Ausdrücke ergänzt werden, die einem in den Sinn kamen. Natürlich hatten Schüler mit unterschiedlichem Hintergrund unterschiedliche Vorstellungen und Vokabeln. Diese wurden ausführlich besprochen und auch ein neues Thema angesprochen.
Im B1- und B2-Kurs wurden auf Deutsch neue Wörter an die Tafel geschrieben und deren Bedeutung ausführlich und ausführlich erklärt. Neben dem Lehrer haben sich auch die Schüler daran beteiligt. Täglich wird viel Zeit für das Erlernen der Grammatik aufgewendet, da die Schüler am Ende jeder Woche einen wöchentlichen Test absolvieren müssen. Wer möchte, kann auch eine telc-Prüfung oder den TestDaF ablegen.
Das Erlernen der Grammatik ist klassisch und ziemlich theoretisch, es schien mir, dass es manchmal einfacher sein könnte. Aber alles wird reichlich geübt. Dabei konnte ich meine pädagogischen Fähigkeiten in der Partnerarbeit einsetzen. Meine Mitschüler haben sich sehr über die Hilfe gefreut.
Jeden Tag gibt es zwischen fünf und sieben Unterrichtseinheiten. Es werden Hausaufgaben gegeben und diese auch überprüft. Gleich am ersten Tag sah ich bekannte Lehrbücher im Lehrerzimmer. Ich nutze selbst die neuen Lehrbücher des Klett-Verlags bei Multilingua und viele der Übungen kannte ich auch aus dem Internet. Es war schön zu spüren, dass wir mit den deutschen Kollegen auf dem richtigen Weg sind, und auf dasselbe Ziel hinarbeiten.
Den Schülerinnen und Schülern stehen zahlreiche Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung zur Verfügung. Sie können sich in siebzig verschiedenen Sportangeboten an der Universität Konstanz sportlich betätigen oder an verschiedenen Exkursionen und Ausflügen teilnehmen.
Bei diesen Veranstaltungen wird immer Deutsch gesprochen. Ich selbst habe an einer Radtour auf die Insel Reichenau teilgenommen. Eine junge Litauerin und eine junge Ungarin waren die Begleiterinnen des Internatslebens und der Gemeinschaftsabende. Ihre Aufgabe war es, den Schülern in ihrer Freizeit Gesellschaft zu leisten.
Außerdem haben wir eine Stadtrundfahrt durch Konstanz und einen Ausflug auf die Insel Mainau gemacht. Letzterer übertraf alle Erwartungen: Auf der Insel war die Frühlingsblüte in vollem Gange und erfreute meine Seele.
Ich habe meine Hospitation um ein reichhaltiges Kulturprogramm in München ergänzt und auch die Schweiz besucht. Ein zufälliges Treffen und gemeinsames Abendessen mit einer der bekanntesten Krimiautorinnen Deutschlands, Eva Almstädt, war sehr bereichernd.
Alles in allem war es eine tolle Erfahrung, die ich jedem Lehrer empfehlen kann. Ich bin dem Humboldt-Institut sehr dankbar und wurde dort als erste Erasmus+-Teilnehmerin sehr herzlich willkommen geheißen. Ich konnte jeden Tag an Kursen und Aktivitäten teilnehmen. Beim Verlassen der Schule wurde mir richtiggehend warm ums Herz. Schüler und Lehrer blieben stehen, winkten an der Tür und überbrachten viele gute Wünsche!
Die Autorin des Blogbeitrags, Katrin Vaikmaa, ist Deutschlehrerin an der Sprachschule Multilingua in der estnischen Hauptstadt Tallinn.