Brücken bauen in Europa – Politik zu Gast im Humboldt-Institut31. Januar 2024

Annette Lind auf der Dachterrasse in Berlin-Mitte

Am Humboldt-Institut dürfen wir in unseren Deutschkursen immer wieder Politikerinnen und Politiker sowie Angehörige politischer Institutionen, zum Beispiel des Europaparlaments oder auch von ausländischen Botschaften in Berlin, begrüßen.

Den Anfang in diesem Januar machte Annette Lind, Abgeordnete der sozialdemokratischen Partei im Folketing, dem dänischen Parlament. Ab dem 1.3.2024 wird sie neue Generalkonsulin für die dänische Minderheit in Deutschland mit Sitz in Flensburg.

In Deutschland leben vier gesetzlich anerkannte nationale Minderheiten. Neben der dänischen Minderheit zählen dazu die friesische Volksgruppe, die deutschen Sinti und Roma und das sorbische Volk.

Die Angehörigen der dänischen Minderheit leben vor allem im Norden des Bundeslandes Schleswig-Holstein, rund um Flensburg. Man schätzt, dass die dänische Minderheit circa 50.000 Personen umfasst. Es gibt nur eine Schätzung, da seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Deutschland generell keine statistischen Daten auf ethnischer Basis erhoben werden.

Mit dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW), einer eigenen Partei, ist die dänische Minderheit aktuell mit vier Abgeordneten im Landtag von Schleswig-Holstein und seit der Bundestagswahl 2021 auch mit einem fraktionslosen Abgeordneten im Deutschen Bundestag vertreten.

Umgekehrt lebt in der Region Nordschleswig in Dänemark eine deutsche Minderheit.

Nun aber zurück zu Annette, die uns hier mehr über ihre politische Arbeit und ihre zukünftigen Aufgaben berichten wird.


Kannst du dich und was du machst, bitte kurz vorstellen?

Mein Name ist Annette Lind, ich bin Politikerin der sozialdemokratischen Partei, der größten Partei in Dänemark und aktuellen Regierungspartei. Seit 2011 bin ich gewählte Abgeordnete im dänischen Parlament, dem Folketing, was übersetzt „Volksversammlung“ bedeutet.

Dort war ich unter anderem Sprecherin für Außen- und Sicherheitspolitik, für Senioren und für Bildung. Außerdem bin ich stellvertretende Fraktionsvorsitzende meiner Partei.

Vor meiner Zeit im Parlament war ich Lehrerin und Schulleiterin und bin darüber hinaus Mutter eines Sohnes und seit 28 Jahren verheiratet.

„ Mein Herz schlägt besonders für die Zusammenarbeit mit jungen Leuten. Das ist mir als ehemalige Lehrerin ein wichtiges Anliegen.


Hattest du in den letzten Jahren bereits Berührungspunkte mit Deutsch und Deutschland?

Ja, privat war ich schon sehr oft mit meiner Familie an verschiedenen Orten in Deutschland im Urlaub. Und auch wenn wir in Italien oder Frankreich in Urlaub waren, dann hat unser Urlaub immer in Deutschland begonnen und später auch geendet.

Bei meiner politischen Tätigkeit arbeite ich oft mit deutschen Politikerinnen und Politikern, insbesondere aus dem Ostseeraum, zusammen. Wir treffen uns in der Ostseeparlamentarierkonferenz (Baltic Sea Parliamentary Conference, kurz BSPC) und setzen uns für grenzüberschreitende Kooperationen der Staaten rund um die Ostsee ein. Dazu gehören umweltpolitische Themen, aber auch Wirtschafts- und Sozialpolitik und Fragen zum Klimawandel und der Energiepolitik der Teilnehmerstaaten.

Im Rahmen dieser Arbeit im BSPC durfte ich bereits den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier in seinem Amtssitz Schloss Bellevue besuchen.


Ab dem 1.3.2024 wirst du neue Generalkonsulin für die dänische Minderheit in Deutschland. Welche Aufgaben hast du in diesem Amt?

Als Generalkonsulin in Flensburg werde ich das Bindeglied zwischen der dänischen Minderheit, Dänemark und Deutschland. In meiner täglichen Arbeit geht es darum, das Leben der Menschen in der Grenzregion zu vereinfachen, die Gemeinschaft und den Zusammenhalt zu stärken und Traditionen aufrechtzuerhalten. Ich weiß, dass viele Aufgaben auf mich warten.

Hier in Berlin konnte ich bereits die dänische Botschaft besuchen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter treffen, mit denen ich in Zukunft eng zusammenarbeiten werde.


Gibt es bestimmte Ziele, die du dir für deine Amtszeit vorgenommen hast?

Ein offener Dialog zwischen Politikern, Bürgern und Unternehmen ist mir wichtig.

Mein Herz schlägt besonders für die Zusammenarbeit mit jungen Leuten. Das ist mir als ehemalige Lehrerin ein wichtiges Anliegen, denn die jungen Leute sind unsere Zukunft.

Gemeinsam will ich mit ihnen über ihre Bildung und Zukunft sprechen. Sie sollen die Möglichkeit haben, einen Teil ihrer Ausbildung in Dänemark absolvieren zu können, um den Austausch zwischen beiden Ländern zu stärken.

Ich möchte die dänische Minderheit und Dänemark gut repräsentieren und meinen Teil dazu beitragen, dass sich die Region positiv entwickelt.

Dazu setze ich mich auch für die baldige Fertigstellung des Fehmarnbelt-Tunnels ein. Dieser Tunnel ist für Deutschland und Dänemark gleichermaßen wichtig, als schnelle Verbindung zwischen beiden Ländern und insbesondere zwischen den Ballungsräumen Kopenhagen, Hamburg und Berlin.

Aber auch für die Menschen auf Lolland [Anmerkung: Insel auf der dänischen Seite] ist die Verbindung wichtig, weil sie die Reisezeit zwischen beiden Ländern deutlich verkürzt, gerade für Pendler.

„ Wir brauchen insgesamt mehr Frieden, Zusammenhalt und Einigkeit in Europa!


War Politik und deine Arbeit ein Thema für die anderen Schülerinnen und Schüler in Berlin?

Ja, aber eher allgemeiner Art. Es gab viele Fragen, zum Beispiel über Dänemark. Viele wussten nicht, dass es eine Königin beziehungsweise jetzt einen König gibt. [Anmerkung: Während Annettes Kurs hat Königin Margrethe II. von Dänemark die Amtsgeschäfte nach 52 Jahren Amtszeit an ihren Sohn, König Frederik X., übergeben.]


Welche Eindrücke nimmst du aus Berlin und von deinem Deutschkurs mit?

Sehr gute! Zum einen hatte ich mit Melissa eine sehr gute Lehrerin. Mittlerweile träume ich sogar auf Deutsch, weil der Unterricht sehr intensiv ist. Die Sprache lernt man vor allem dann, wenn man spricht. Diese Erkenntnis hat mir auch die dänische Botschafterin hier in Berlin bestätigt.

In Berlin kann man viele Spuren der deutschen Teilung und von Konflikten aus der Vergangenheit sehen. In Zeiten des Krieges in Europa erinnert es mich daran, warum ich mich für Zusammenarbeit und Einheit über Ländergrenzen hinweg einsetze. Für mich ist es essenziell, dass wir offene Grenzen haben, die man frei und problemlos überqueren kann.

Wir brauchen insgesamt mehr Frieden, Zusammenhalt und Einigkeit in Europa!

Ein schönes Schlusswort! Vielen Dank für deine Zeit und das Interview. Wir wünschen dir einen erfolgreichen Start in deine Amtszeit als Generalkonsulin in Flensburg.

Weitere Informationen zur dänischen Minderheit in Deutschland gibt es hier:

https://www.bmi.bund.de/DE/themen/heimat-integration/gesellschaftlicher-zusammenhalt/minderheiten/minderheiten-in-deutschland/minderheiten-in-deutschland-node.html

https://www.minderheitensekretariat.de/die-daenische-minderheit/